Bericht zum Workshop am 10. Juni 2017 in Kaiserswerth

Eine „Fotogeschichte der Pflege“? – Fotografie als pflegehistorische Quelle

Fotografie kommt in pflegehistorischen Forschungsarbeiten meist als bloße Illustration der aus der schriftlichen Überlieferung herausgearbeiteten Analysen zum Einsatz. Der diesjährige Workshop der GAHN, der am 10. Juni 2017 in der Fliedner Kulturstiftung in Kaiserswerth stattfand, widmete sich den Chancen der Fotografie als pflegehistorischer Quelle. Damit schloss die GAHN an den Workshop des Vorjahres zur „Visual History“ an, richtete den Blick nun aber ausschließlich auf das Medium der Fotografie.

Fotografie ist als kulturelles, politisches, ästhetisches und soziales Phänomen zu begreifen. Pflege erscheint in diesen Quellen visueller Geschichte im Kontext der Institutionen, in denen Pflegende als Akteur*innen oder Statist*innen in einem jeweils spezifischen Setting fotografisch inszeniert werden. Auch haben Pflegende sich selbst mit privaten Fotos oder in Fotoalben überliefert, die als visuelle Selbstzeugnisse gelesen werden können. Auf der anderen Seite der Linse waren Pflegende als Fotograf*innen tätig, so z. B. während ihres Einsatzes im Ersten und Zweiten Weltkriegs. Auch die Frage nach den Produzent*innen und ihrer spezifischen Perspektive stellt also eine mögliche Fragestellung an das (pflege-) historische fotografische Material dar.

In dem Workshop wurden Impulsreferate zur Methodik einer „Fotogeschichte der Pflege“ einerseits und Forschungen mit fotografischem Material anderseits präsentiert und diskutiert. Einleitend stellte Annett Büttner (Archiv der Fliedner Kulturstiftung, Kaiserswerth) zunächst die Fotosammlung der Fliedner-Kulturstiftung vor, die vor allem aus Beständen der Familie Fliedner und der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Kaiserswerther Diakonie gebildet wurde. Eine systematische Erwerbung liegt ihr nicht zu Grunde. Im 19. Jahrhundert herrschten im Bereich der Kaiserswerther Diakonie graphische Darstellungen vor, die vor allem zu PR-Zwecken entstanden sind, um einen breiten Spenderkreis anzusprechen. Mit der Durchsetzung der Fotografie in der zweiten Jahrhunderthälfte sind zunehmend Porträts von Diakonissen und leitenden Mitarbeiter*innen zu finden, jedoch noch immer keine realitätsnahen Abbildungen aus dem Pflegealltag. Ab der Wende zum 20. Jahrhundert wurde auch die Pflege und Sozialarbeit zunehmend durch Fotografien dargestellt, die jedoch stark formalisiert und inszeniert waren. Die Fotos sagen mehr über die Intentionen der Auftraggeber als über tatsächliche Pflegeverrichtungen aus, und die Pflegenden agierten mehr als Statist*innen denn als Akteur*innen. Erst ab den 1970er Jahren finden sich sogenannte „Schnappschüsse“, die den Alltag in der Pflege annähernd realistisch darstellen.

Birgit Seemann (Forschungsschwerpunkt Jüdische Pflegegeschichte, FH Frankfurt) präsentierte Fotomaterial aus dem Forschungsprojekt zur jüdischen Krankenpflege in Frankfurt am Main. Der Fokus lag auf Personenfotos von Pflegenden und Gepflegten Frankfurter jüdischer Institutionen und des Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen. Seemann betonte, dass im Kontext „visueller Erinnerungspolitik“ (Gerhard Paul) die bislang aufgefundenen Fotos trotz häufiger Materialschäden auch im Hinblick auf die pflegehistorische Forschung oft die letzten Spuren jüdischen Lebens und Überlebens seien.

Karen Nolte (Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg) zeigte in ihrem Vortrag „Fotografien und Spurensuche zur Geschichte der Schwesternnarkose“, wie Fotografien als wichtige Quellen dienen können, um Praktiken von Narkoseschwestern in Deutschland bis in die 1950er Jahre zu rekonstruieren. Sie wies besonders darauf hin, dass Zeichnungen auf der Basis von zuvor verwendeten Fotografien in Krankenpflegelehrbüchern eingesetzt wurden, um Praktiken zu verdeutlichen. In deutschen Darstellungen zur Geschichte der Anästhesie werden Fotografien von Tropfschwestern verwendet, um die Rückschrittlichkeit der von Pflegenden bis in die 1950er eigenständig eingeleiteten Einatmungsnarkose zu dokumentieren.

Call for papers: „Bads“ in healthcare – 21./22.06.2018 in Winterthur

„Bads“ in healthcare. Negative experience as an impetus to reform in nineteenth and twentieth centuries.

Europäische Tagung in englischer Sprache der Swiss Society of the History of Health and Nursing (GPG-HSS)

In Zusammenarbeit mit der European Association for the History of Nursing (EAHN) und dem European Journal for Nursing History and Ethics (ENHE)

Datum: 21./22. Juni 2018

Ort: Departement Gesundheit, ZHAW in Winterthur.

Call for Papers (Download ): Deadline: 30. November 2017 (verlängert bis zum 20. Dezember 2017)
Keynotes:

Professor Christine Hallet PhD. Director of the UK Centre for the History of Nursing and Midwifery, University of Manchester.

PD Dr. phil. Karen Nolte, M. A. Institut für Geschichte der Medizin, Universität Würzburg, ab. 1. 2. 2018 Professorin für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität Heidelberg.

Es besteht die Möglichkeit, sich für eine Publikation zum Konferenzthema im ENHE zu bewerben. Call for Abstracts s. https://eahn.eu/. sowie https://gpg-hss.ch/

Weitere Informationen: Prof. Dr. Susanne Kreutzer: kreutzer@fh‐muenster.de und PD Dr. Karen Nolte: karen.nolte@uni‐wuerzburg.de – auch hier wird die Deadline bis zum 20. Dezember 2017 verlängert

Vortragsvorschläge können unabhängig von einer späteren Publikation in der Zeitschrift eingereicht werden, umgekehrt können Vorschläge für einen Zeitschriftenartikel eingereicht werden, ohne an der Tagung teilzunehmen.

10.06.2017 – Workshop in Kaiserswerth

Am Samstag, den 10. Juni 2017 fand der 4. Workshop der Fachgesellschaft Pflegegeschichte in Kaiserswerth statt.

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10. Juni 2017 in Kaiserswerth

Ort:       Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth, Zeppenheimer Weg 20, 40489 Düsseldorf

Eine „Fotogeschichte der Pflege!?“ – Fotografie als pflegehistorische Quelle

Programm:

11.00 – 11.45           Begrüßung und Input zu den Fachtexten

Textgrundlage für alle Teilnehmende:

Cord Pagenstecher: Private Fotoalben als historische Quelle, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 6 (2009), S. 449–463. (http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Pagenstecher-3-2009)

Hilary Roberts: Der weibliche Blick: Britinnen fotografieren im Ersten Weltkrieg, in: Fotogeschichte 2014/34, Heft 134, S. 7–18

11.45 – 12.15           Dr. Annett Büttner (Düsseldorf): Einführung in die Fotobestände des Archivs der Fliedner Kulturstiftung

12.15 – 13.00           Dr. Birgit Seemann (Frankfurt a. M.): Frankfurter jüdische Pflegegeschichte in Fotografien: Wege zu einer Visual History der deutsch-jüdischen Pflege

13.00 – 13.45           Mittagspause

13.45 – 14.30           PD Dr. Karen Nolte (Würzburg): Fotografien und Spurensuche zur Geschichte der Schwesternnarkose

14.30 – 14.45           Abschluss

15.00 Uhr                 Mitgliederversammlung der Fachgesellschaft Pflegegeschichte

16.05.2017 – Stellungnahme: Krankenhausserie „Charité“

Stellungnahme der Fachgesellschaft Pflegegeschichte zur ARD-Krankenhausserie über die Charité

Erschienen am 16. Mai 2017 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

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Foto: Fachgespräch? Ramona Kunze-Libnow (links) als Oberin Martha und Alicia von Rittberg als Ida in „Charité“. [(C) ARD/Nik Konietzny]

Die ARD-Serie „Charité“, die im April im ersten Programm lief, erfreute sich beim Publikum großer Beliebtheit. Mit etwa 25 Prozent Marktanteil nahmen viele Zuschauer – und nicht nur die älteren Semester unter ihnen – Anteil an den Geschehnissen in dem weltberühmt gewordenen Krankenhaus mit seinen Protagonisten. Was aus ärztlicher Sicht gut recherchiert sein mag, entpuppte sich für all jene, die sich gegenwärtig und auf historischem Gebiet mit Pflege befassen als unliebsame Überraschung: Die Darstellung des Pflegepersonals ist verheerend – nicht nur, weil sie den historischen Verhältnissen im 19. Jahrhundert widerspricht, sondern weil sie ein Bild von Pflege als unqualifiziert weiblicher Gabe fortschreibt, das zu keiner Zeit der Bedeutsamkeit pflegerischer Arbeit gerecht wird und Pflegenden bis heute schadet.

Den vollständigen Artikel finden Sie unter folgendem Link:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/grundsatzkritik-an-der-ard-serie-charite-15007641.html

03.03.2017 WDR-Zeitzeichen: Luise von Oertzen

Vor 120 Jahren: Der Geburtstag von Luise von Oertzen

Sie darf wohl als führungsstark und ehrgeizig bezeichnet werden. Luise von Oertzen entstammte einem Adelsgeschlecht mit reichlich Grundbesitz in Preußen und Mecklenburg. Geprägt durch die Erfahrung des ersten Weltkrieges trat sie 22jährig in die Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes ein. Bereits mit 38 Jahren vollendete sie ihre Karriere und wurde 1935 Generaloberin. Dabei machte sie nie einen Hehl aus ihrer Sympathie für den Nationalsozialismus.

Autor: Jörg Beuthner

Mit einem Beitrag von Susanne Kreutzer

WDR zeitchen luise von oertzen

Eine DRK-Schwester versorgt einen Mann [Bildquelle: Interfoto/Leimer]

 

 

 

 

Den Link zur Audiodatei finden Sie hier:

http://www1.wdr.de/mediathek/audio/zeitzeichen/audio-luise-von-oertzen-krankenschwester–100.html